Der Chef der Oppositionspartei nennt Ministerpräsident Sánchez "illegitim" und schließt wegen dessen "Hochverrats" nichts aus
"Die Geister, die ich rief ...", sagt ein deutsches Sprichwort, an das man den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez angesichts des Vorgangs erinnern sollte, nachdem er bei der Anerkennung des selbsternannten "Präsidenten" von Venezuela, Guaidó, so vorgeprescht ist.
Wenn man völkerrechtswidrig "einen Umsturz" in einem anderen Land unterstützt, wie der Völkerrechtsexperte Norman Paech den Vorgang nennt, dann können diese Geister sehr schnell unkontrollierbar werden und sich gegen einen selbst wenden. Der Sozialdemokrat Sánchez kann derlei Vorgänge im eigenen Land nun schon feststellen.
Allein die Tatsache, dass er einen winzigen Schritt auf die Katalanen zugehen will und "die Regierung nur darin nachgegeben hat, einen Dialog mit ihnen zu führen", wie die Vize-Ministerpräsidentin Carmen Calvo erklärte, treibt die spanische Rechte bis Ultrarechte auf die Barrikaden.
"Sánchez stürzen"
Sie will nun Sánchez stürzen. Gemeinsam rufen die rechte Volkspartei (PP) und ihre Abspaltungen Ciudadanos (Bürger/Cs) und Vox zu einer Demonstration am Sonntag in Madrid auf. Das gemeinsame parteiübergreifende Motto lautet: "Für ein geeintes Spanien, Wahlen jetzt."
Die Wortwahl der Parteichefs ist schon am "Venezuela-Stil" ausgerichtet. Der Cs-Chef Albert Rivera spricht zum Beispiel davon, dass Sánchez beginne, "gefährlich“ für Spanien zu werden. Vor allem regt er sich darüber auf, dass dem Dialog ein "Berichterstatter" beiwohnen soll. Dabei versuchte Vize-Ministerpräsidentin Calvo das - allerdings wirr und unklar - auf Parteiengespräche in Katalonien zu beschränken.
Das ist natürlich absurd, denn das fällt nicht in die Kompetenzen der Zentralregierung. Und das Problem der Katalanen ist, dass die spanischen Sozialdemokraten im bisherigen zaghaften Dialog immer wieder Zusicherungen machen, die dann nicht eingehalten und in der Öffentlichkeit sogar dementiert werden.
So glauben die Rechten, dass es nun zu einer "Vermittlung" kommen soll, wie sie die katalanischen Parteien unter anderem für eine Zustimmung zum Haushalt fordern.
So glauben die Rechten, dass es nun zu einer "Vermittlung" kommen soll, wie sie die katalanischen Parteien unter anderem für eine Zustimmung zum Haushalt fordern.
Angesichts der Tatsache, dass somit ein ernsthafter Dialog zur Lösung des Konflikts entstehen könnte, flippt der PP-Chef Pablo Casado regelrecht im Konkurrenzkampf mit den nationalistischen Cs und der rechtsextremen Vox aus. Denn die machen der PP das Terrain massiv streitig, wie man in Andalusien zuletzt sehr gut sehen konnte.
Der unflätige, beleidigende und respektlose Wortschwall des neuen PP-Chefs, der seine Partei noch weiter nach rechts führt, sagt eigentlich alles über ihn aus. "Inkompetent", "unverantwortlich" und "egozentrisch" sind noch die freundlichsten Bezeichnungen in einer Attacke, die Casado "Analyse" nennt. Sánchez sei ein "zwanghafter Lügner", ein "Schwerstverbrecher", "Komplize eines Staatsstreichs", "größter Verräter" und derlei mehr, sagte Casado.
Der PP-Chef bezeichnet Sánchez schon länger als "Besatzer" im Regierungspalast, weil er den vormaligen PP-Chef Mariano Rajoy per Misstrauensantrag mit den Stimmen der Katalanen aus dem Amt getrieben hat, nachdem die PP gerichtsfest als Korruptionspartei definiert wurde.
Doch damit nicht genug, spricht Casado im Guaidó-Stil von einen "illegitimen Präsidenten", der "ab heute keine Legitimation" mehr habe und sich sogar des "Hochverrats" schuldig mache. Es handele sich um den "schwersten Vorgang seit dem 23-F", womit der Putschversuch der Militärs 1981 gemeint ist, als die Guardia Civil bewaffnet das Parlament stürmte.
"Wegen des Hochverrats schließe ich nichts gegen Sánchez aus“, schob Casado dann noch nach, der offensichtlich Sánchez mit allen Mitteln stürzen will. Er redete sich derart unwürdig in Rage, dass er sogar die entwaffnete und aufgelöste baskische Untergrundorganisation ETA ausgrub. Er behauptete: "Die Agenda in Katalonien ist die Agenda der ETA."
Damit versuchte er dem Hinweis der Fragesteller auszuweichen, dass sein ehemaliger Ministerpräsident José María Aznar einst mit der ETA verhandelte. Der ehemalige Falangist erlebt in der PP von Casado nun wieder einer Renaissance.
Cassados Wortwahl ist heftig und unwürdig für jede Demokratie und jeden Demokraten. Sie ist auch strafrechtlich bedenklich, wie der Professor für Verfassungsrecht Joaquín Urias meint. Der Andalusier fragt per Twitter: "Aufruf zum Aufstand?"
Hochverrat ...
Er erwartet, dass die Staatsanwaltschaft wegen möglicher verfassungswidriger oder putschistischer Vorgänge aufpasst. Interessant ist dabei auch, dass sich Casado mit dem Hochverrat vergaloppiert hat. Er erkennt damit praktisch die ausgerufene Republik Katalonien an. In Artikeln, in denen Hochverrat definiert ist, wird stets von einer "ausländischen Macht" gesprochen.
Demnach mache man sich als Spanier des Hochverrats schuldig, wenn man eine solche Macht dazu bringt, "Spanien den Krieg zu erklären",wenn man dem "Feind den Zutritt zu Spanien" ermöglicht, spanische Truppen zum "Überlaufen oder zur Desertion" verführt oder "rekrutiert", um "gegen Spanien Krieg zu führen".
Man sollte dem Juristen, der unter zweifelhaften Umständen wie andere PP-Führer an Uni-Abschlüsse gekommen ist, auch erklären, dass darauf nur 12 bis 20 Jahre Haft stehen. Dann wird er vermutlich, wie bei den katalanischen Politikern, Sánchez in Zukunft der Rebellion beschuldigen, um ihn wie Mitglieder der katalanischen Regierung zu inhaftieren und bis zu 30 Jahre wegsperren zu können.
Ausgerechnet nächste Woche beginnt unter diesem absurden Vorwurf der Prozess. Sánchez war auch federführend an der Kriminalisierung der friedlichen Demokratiebewegung beteiligt. Auch hierfür gilt: "Die Geister die ich rief ..."